Mittwoch, 28. Januar 2015

Hotelito Perdido (verloren, irgendwo am Rio Dulce)

Santiago, der Bootsmann, steuert das kleine Motorboot vom Steg von Bruno's auf den Fluss hinaus, der beim Ort Rio Dulce ziemlich breit ist. Wir fliegen  an einigen ankernden Segelbooten vorbei, dann sehen wir bald nur mehr Mangroven und dahinter Dschungel an den Ufern. Hin und wieder ragt ein Steg oder eine Hütte aus dem Dickicht, aber die Bevölkerungsdichte am Fluss entlang ist eher niedrig.

Nach einer Stunde Fahrt lenkt Santiago das Boot in einen kleineren Nebenfluss, und kurz darauf sind wir da. Das Hotelito Perdido ist genau das, was der Name verspricht: Ein kleines Hotelchen (Hötelchen? Hotellilein? Diminuativ ist auf Spanisch leichter...), das sich irgendwo im Dschungel verloren hat.
Ziemlich akkurate Wegweiser direkt am Anlegesteg.
Vom Anlegesteg (der mit Liegestühlen und einer Palapa mit Hängematten ausgestattet ist) kommt man über einen schmalen Kiesweg zum Haupthaus, einer luftigen Holzkonstruktion, mit Palmwedeln gedeckt, in alle Richtungen offen. ("Holz" bedeutet hier übrigens keine ordentlich rechteckig zugesägten Bretter und Balken, sondern hölzerne Stangen und Stämme in verschiedensten Stärken, die eben so gerade sind, wie sie wachsen wollten. Thermische Isolation ist kein Thema, und das resultierende, noch ziemlich organisch wirkende Gebäude verfügt wirklich über eine ganz warme lebendige Ästhetik.) 
Eine Ecke ist der Rezeption gewidmet, eine andere der Bibliothek (In verschiedene Kategorien eingeteilt: Classics, Multi-cultural, Non-Fiction (überwiegend Bestimmungsbücher für lokale Tiere und Pflanzen), sowie das in diesen Hostels übliche Kuddelmuddel an (überwiegend miesen) tauschbaren Büchern), in der dritten sammeln sich einige Sofas, Hängesessel und -Matten und laden zum Mitherumhängen ein.
Mitten im Nirgendwo, Blick in Richtung Haupthaus.
Die Hotelbelegschaft besteht aus der Eigentümerin und einer Managerin, von denen meistens eine irgendwo in der Nähe zu finden ist, während die andere in vermutlich abenteuerlicher Mission in Guatemala unterwegs ist. Weiters gibts da noch drei Volontäre, die in einer der Hütten logieren, sowie zwei Köchinnen und drei Junge-Herren-für-Alles-Arbeiter, die allmorgendlich per Ruderboot (Cayuco) aus der näheren Umgebung eintreffen.

Das Ambiente ist wirklich sehr familiär, lädt zum Ent- und Ausspannen ein. Tagsüber sind die Gäste und die Volontäre, die gerade frei haben, irgendwo unterwegs (fast immer mit dem Kayak, anders kommt man ja kaum weg von hier), Abends versammelt sich dann alles um die riesigen Esstisch und schlemmt und plaudert. 
Abends versammelt sich alles im Gemeinschaftsraum.
Abgesehen von entspanntem Genießen, kann man sich die Zeit noch mit dem Beobachten von allerlei Getier vertreiben. Direkt am Grundstück (also, im Dschungel) vom Hotel gibts ein paar Süßwasserschildkröten, etliche Kolibris (die zu schnell sind, um die genauer zu bestimmen), Hunderte von Winkerkrabben (manche Links-, die meisten Rechts-Scherer), und Abends natürlich auch Mosquitos. Dazwischen hört man immer wieder die seltsamen Rufe von Vögeln, die sich Oropendola nennen.  
Eine Winkerkrabbe winkt mir zu.
Irgendwo in einem Naturreservat in der Nähe soll es auch Manatees geben, also eine Art von Seekühen. Einige unserer Mit-Gäste unternehmen Ausflüge dorthin, gesichtet wird aber nie eine ("There were these bubbles..." oder "I totally had the feeling that something big was swimming under water there.." allerdings schon. Immerhin.)
Auch zu sehen gibts Spinnen von beachtlicher Größe und Laufgeschwindigkeit (deshalb ebenfalls nicht bestimmt), Schlangen (nicht schnell, aber ich war trotzdem zu langsam), Reiher, Pelikane, sowie eine kleine Kolonie von Weißkopf-Papageien, die in einer Art Nussbaum ein Fressspektakel aufführen.
Nächtlicher Besucher, der uns im Kampf gegen die Moskitos beisteht.
Abgesehen davon sind wir mit dem Kayak in der Umgebung unterwegs. Meine Güte, ich wusste gar nicht, dass mir Kayakfahren so viel Spaß macht! Natürlich ist auch die Umgebung dazu bei, die wie eine zahme kleine Variante des Amazonas wirkt (keine Krokodile, keine Piraten, keine Jaguare im Dschungel, überhaupt ein bemerkenswerter Mangel an tödlichen Gefahren).

Unsere Ausflüge führen uns zu heißen Quellen in der Nähe, die auch damit angepriesen werden, dass sie auch eine "Natural Sauna" dabeihaben. Also ja, ist dann schon irgendwie ein bisschen wärmer in der Grotte, aber so richtiges Sauna-Schwitzen kommt nicht auf. Dafür finden wir in der Höhle noch eine Fledermaus, die uns schlechtgelaunt anguckt, bevor sie den Kopf wieder unter den Flügel steckt und weiterschläft.
Kayak-Ausflug in die Mangroven.
Auch kleine und kleinste Nebenarme vom Fluss erkunden wir, bis das Wasser schließlich nur mehr einige Zentimeter tief ist, das Kayak zwar noch schwimmt, aber links und rechts die Pflanzen schon so nahe kommen, dass man das Paddel kaum noch schwingen kann.
Ein bisschen weiter weg (Eine Stunde Paddeln. Das sollte ich wirklich öfter machen.) gibts auch einen kleinen Wasserfall (dieser allerdings nicht vulkanisch angewärmt) und ein vorgelagertes Felsbecken.
Hier, hier bin ich!
Nach der Bootsfahrt dorthin muss man auch noch ein bisschen Schlamm durchqueren, um zum Wasserfall zu kommen. Kennen wir ja schon.
Wieder mal ein wenig Schlamm am Rückweg zum Kayak.
Insgesamt lässt mich das Hotel und diese Ecke vom Rio Dulce überhaupt an ein Wiener Beisl denken, ein ganz spezielles, das mit dem Motto "Aufregende Lokale gibts genug, geh' ins Lange" seine liebenswürdig-gemütliche Verschlafenheit anpreist. Manche würden es vielleicht ein bisschen langweilig finden (wenn man auch sagen muss, dass das Hotel ja den Tropen-Bonus hat..), ich genieße jeden Tag hier.
Unsere Rucksäcke sind wieder einmal gepackt, wir warten auf das nächste Boot.
Nach vier Tagen ists dann doch so weit, und wir müssen bzw. wollen weiterziehen. Livingston ist eine halbe Stunde mit dem Boot entfernt.

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