Freitag, 16. Januar 2015

Xela

Wir hatten (wieder mal) Glück. Wie verbringt man Weihnachten an einem eigentlich völlig fremden Ort, an dem man niemanden kennt? Couchsurfing, fällt uns als eine mögliche Antwort ein.

Und tatsächlich, Mauricio aus Xela (also Quetaltenango) lädt uns über Weihnachten ein. Er fügt zwar gleich hinzu, dass er über die Feiertage bei seinen Eltern übernachtet, aber wir könnten ja so lange seine Wohnung haben, und er ist dazwischen immer wieder mal da. Klingt gut.

Nach der dreistündigen Fahrt für die ca. 150 km von Panajachel bis Xela sind wir ordentlich durchgeschüttelt. Der Bus war eigentlich relativ leer (also keine doppelte oder dreifache Überbelegung) und die Straße relativ gut (wenn auch ziemlich kurvig), aber ich bin trotzdem ein bisschen entgeistert.
Dazu am meisten beigetragen hat der Ayudante des Buses. (Jeder Bus ist hier nämlich mit einem Fahrer sowie einem Ayudante ausgestattet. Der Fahrer fährt auf Teufel komm raus, der Ayudante sammelt das Fahrgeld ein, verstaut Taschen, Rucksäcke, und noch schwereres Gepäck am Dach des Buses, ruft bei Zwischenstops die Destination des Busses aus, und treibt Zusteigende an, schneller einzusteigen.)
Der unseres Busses verfügt nämlich nur über eine linke Hand, seine rechte ist nur ein Handstumpf. Ob von Geburt an oder durch einen Unfall, kann ich nicht sagen. Das hält ihn aber trotzdem nicht im Geringsten davon ab, die vielen Aufgaben eines Ayudantes mit Bravour zu meistern.
Am meisten davon schockiert mich, als er plötzlich, während der Fahrt (mit vielen plötzlichen Brems- und Beschleunigungsmanövern, und Kurven) aus der offenen Türe aufs Dach klettert, ein festgezurrtes Gepäckstück lockert und zum Ausladen bereit macht, kurz bevor der Bus stehen bleibt. (Die Steh-Phasen sind meist nie länger als 5 Sekunden. Ehrlich, ohne Übertreibung!)
Jeder Arbeitsschutzbeauftragte in Deutschland oder Österreich würde sich wimmernd unter den Sitzbänken verkriechen (wenn er dort Platz hätte..).

Wir kommen also in Xela an. Das Busterminal ist ein Tohuwabohu. Die Hintergrundmusik liefern Dutzende Camionetas, die mit quietschenden Bremsen einfahren, mit blubberndem Diesel im Leergang auf die nächsten Fahrgäste warten, oder mit aufröhrendem Motor losstarten. Die Straße gleicht einer langgezogenen Arena, in der sich die Kombatanten gegenseitig versuchen, zu überschreien.
Wir laden uns gerade die Rucksäcke auf die Schultern, als uns schon ein Ayudante oder vielleicht auch einer der vielen "Vermittler" anbrüllt: "ANTIGUA?? ANTIGUA!!!" Neben ihm taucht sein Kontrahend auf, und schreit: "GUATE!!! GUATE? GUATEE!" (also Guatemala City). Ein dritter springt dazu, und meint: "CHICHI?? CHICHI!" (Chichicastenango), während aus einem Fahrzeug ein Stimme dringt: "TAXI?!? TAXI!!".
Danke, die Herren, nein, danke, keines von allem, ob uns wohl jemand verraten könnte, wie man in die Innenstadt kommt, danke, ganz lieb? "TAXI!?" Nein, danke, auch nicht, wir würden lieber zu Fuß gehen, oder vielleicht mit einem öffentlichen Bus...
Schließlich schaffen wir es, uns aus der Gefahrenzone zu bringen, und normale Passanten erzählen uns schnell, wo die Stadtbusse abfahren.

So finden wir bald den Plaza Central von Xela, und einige Minuten später holt uns Mauricio ab. Allerdings ist er sehr in Eile, weil er kürzlich ein neues Restaurant aufgemacht hat, und das gerade in der Einlaufphase viel Arbeit macht.
Er bringt uns also in seine Wohnung, gibt uns eine kurze Führung, drückt uns den Schlüssel in die Hand, und ist wieder dahin.
Wir bleiben ein wenig sprachlos zurück. Die Wohnung ist riesengroß, schick möbliert, hat einen kleinen Garten im Innenhof, und ist generell mit Abstand die hübscheste Bleibe, die uns seit Kuba untergekommen ist.. und gehört für die nächsten Tage praktisch uns.
Nachdem wir uns ein wenig gefasst haben, marschieren wir auf den Markt, um uns mit allem Notwendigen für ein Weihnachts-Frühstück sowie traditionelles Abendessen einzudecken. In meinem Fall wäre das ja Bratwürstel mit Sauerkraut und Rösterdäpfeln, Hannah plädiert für Kartoffelpüree. Dass Sauerkraut aufzutreiben wäre, wagen wir gar nicht zu hoffen. Aber bratwurstähnliche Dinge finden wir bald, in einer der unzähligen Markt-Fleischhauereien. Nix mit Styroportassen und Frischhaltefolie, hier hängt das halbe Schwein an einem Haken von der Decke, und als Gesellschaft hat es noch ein Stück vom Kalb von nebenan. Kühlkette gibts nicht, braucht es auch nicht, denn alles, was hier hängt, wird auch heute noch verkauft und gegessen.
Ein richtiges Weihnachtsfrühstück. In Europa wären Ananas, Papayas und Maracuyas wohl erwähnenswerter, aber wir freuen uns auch über Luxusgüter wie starken Kaffee, Butter und Milch.

Am Abend besuchen wir dann Mau in der Arbeit: Ein großes American-Style Diner, vielleicht für 80 oder mehr Gäste, hell, familienfreundlich, lecker Burger. Die Biere sind so kalt wie in Mexico, beziehungsweise noch ein wenig kälter: mein Bier verwandelt sich im ebenfalls eisgekühlten Glas in ein prickelndes Sorbet. (Daraufhin veranlass Mauricio, dass die Kühlfach-Temperatur etwas nach oben korrigiert wird.)
Er will nach der Arbeit nochmal bei uns in der Wohnung vorbeischauen, aber zu der Zeit sind wir dann schon eingeschlafen..

Am 24. Dezember starten wir erstmal mit dem Großen Weihnachtsfrühstück. Dann machen wir uns nochmal auf den Weg zum Markt, diesmal stehen die Zutaten für Vanillekipferl und Butterbrötchen-Kekse am Einkaufszettel. Gar nicht so einfach, das alles zu kriegen, und ich mach die Dinger auch zum ersten Mal, aber irgendwie klappt es trotzdem ganz gut. Wir sind mit dem Resultat zufrieden, und stellen erfreut fest, dass es nicht nur uns so geht:

Am Nachmittag kommen Mauricio, seine Eltern, seine zwei Schwestern sowie zwei Cousins vorbei. Wir unterhalten uns ganz nett, und die Kekse finden großen Anklang. Irgendwann um 8 oder 9 verabschieden sich wieder alle, und ziehen weiter, um sich auf das große Mitternachtsessen vorzubereiten (das ist offenbar hier Tradition.)
Wir bleiben zurück, und machen uns an unser Abendessen. Und auch das gelingt ganz großartig. Dann gibts noch die Bescherung (sogar einen echten Christbaum gibts in dieser Luxuswohnung!), und dann fallen wir erschöpft ins Bett.
Seltsame aber nette Bescherung ein paar tausend Kilometer weit weg von zu Hause.

Geschenke zu kaufen war übrigens gar nicht einfach: Nachdem wir ohnehin schon zuviel Zeug mit uns herumschleppen, müssen sie entweder 1) wirklich leicht und unbedingt notwendig oder 2) konsumabel sein.
Deshalb bekommt Hannah zwei wunderhübsche, leichte, emaillierte Blechtassen, damit sie und eine von ihr ausgewählte Person in Zukunft nicht mehr auf die überall zu findenden Plastikbecher und -schüsseln angewiesen sind.
Ich bekomme zwei Flaschen Quetzalteca, eine Art Rum aus Xela, die eine pur, die andere mit Tamarinden-Saft geschnitten.
(Das ergibt sich sehr gut, und Hannah lädt mich auf eine Tasse ein, ich sie auf einen Rum, und alle Geschenke können gleich eingeweiht werden.)

An unseren letzten Tag in bzw. um Xela machen wir einen Ausflug zu den Fuegos Georginas, einem "Spa" mit heißen Becken, knapp unterhalb eines Vulkangipfels.
Ursprünglich wollte wir die Fuegos Georginas ja vermeiden, da der Internet-Auftritt des Ortes an ein Nobel-Etablissement denken lässt, für den wir uns nicht ganz geeignet fühlen..
Daher fahren wir mit dem Camioneta erst in den Nachbarort, wo wir feststellen, dass es zwar Schwimmbecken gibt, aber die sind kalt. Außerdem gibt es öffentlichen Badeanstalten, die bestehen aus einer Reihe von kleinen, zellenartigen Räumen, in denen man sich in ummauerten Löchern im Boden waschen kann. Ja, mit heißem Wasser aus vulkanischen Quellen, aber einladend sind diese.. Wannen, mangels eines besseren Wortes, wirklich nicht.
Schließlich geben wir auf, und fahren doch auf der Ladefläche eines Pick-ups, dessen Fahrer sich genau auf diese Dienstleistung spezialisiert hat, die schmale gewundene Straße auf den Vulkan hinauf.
Nach dem Spaziergang durch den Dschungel freuen wir uns noch mehr auf ein heißes Bad.

Vulkane sind als rekreatives Element sehr zu empfehlen.
 Es stellt sich heraus, dass das Spa wesentlich rustikaler ist als wir erwartet haben, und auch deutlich voller. Aber wir finden einen kleinen "Eco-Path", der zu zwei kleinen, versteckten Becken führen. Dort haben sich zwar auch schon an die 10 Badegäste versammelt, aber es ist noch immer ein Ort der Stille und Kontemplation im Vergleich zum Chaos und Geschrei der größeren Becken im Hauptteil.
Das Wasser ist übrigens WIRKLICH heiß dort!
Dschungel mit Reisendem.

Am nächsten Tag gehts weiter nach Chichicastenango, wo es den schönsten Markt Mittelamerikas geben soll.

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